Die „Mining Marching Band from Germany“ überzeugte die Zuhörer.

 

London_2016
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Wer hätte gedacht, dass das Rot der Federbüsche auf den imposanten Schachthüten der Bergknappen so wunderbar zum Rot der Londoner U-Bahn-Schilder passte? Als die rund 30 Mitglieder der Bergknappenkapelle Niederschelden in ihrer äußerst schicken Bergmannstracht zu Beginn der traditionsreichen Rallye London-Brighton auf den Londoner Flaniermeilen damit auftraten, war dieser optische Kick (der auch gerne von allen möglichen Passanten in London als Fotomotiv genutzt wurde) aber nur das i-Tüpfelchen auf einer ungewöhnlichen Musik-Fahrt, die den Knappen viel Lob, Anerkennung und auch Begeisterung im Mutterland der Marschmusik einbrachte!

Ungewöhnlich war diese Einladung, denn es ist ja nicht selbstverständlich, dass eine deutsche Kapelle die Musik liefert für eine englische Rallye, die nach eigenem Bekunden die älteste der Welt ist. Sie findet jährlich am ersten Wochenende im November statt, unter dem Namen „London To Brighton Veteran Car Run“. Zugelassen werden nur Wagen aus der „Messing-Ära“, die nachweislich vor 1905 gebaut wurden. Die Fahrt der rund 400 Wagen beginnt im Hyde-Park (siehe Bericht auf dieser Seite vom vergangenen Samstag) und endet in Brightons Madeira Drive.

Das Rennen über eine Strecke von rund 100 Kilometern ist als Abgesang auf den Red Flag Act entstanden: Mit der Aufhebung dieser Verordnung im Jahre 1896, die gefordert hatte, dass Autos nur Schrittgeschwindigkeit fahren durften und dass ein Fußgänger mit einer roten Fahne vor den Autos herlaufen musste, um Fußgänger und Radfahrer vor dem Nahen des Fahrzeugs zu warnen, war das britische Tempolimit „Schrittgeschwindigkeit“ Geschichte: Ab dann konnten die Autos zeigen, was sie konnten. Der Preis, der dafür zu zahlen war, war allerdings eine signifikante Zunahme an (auch tödlichen) Unfällen, die man mit dem Red Flag Act reduziert hatte.

Aber wie kommen die Bergknappen aus Niederschelden nach London, als „offizielle“ Musikgruppe des Rennens? Viele Faktoren kamen dafür zusammen. Deutschland war im vergangenen Jahr „Gastland“ der Rallye und für die Musik am Eröffnungsabend zuständig, der immer im eleganten Londoner Pall-Mall-Clubhaus des RAC, des Royal Automobile Club, dem Pendant des deutschen ADAC, stattfindet. Wolfgang Presinger, der „Messing-Beauftragte“ des ASC, des Allgemeinen Schnauferl-Clubs Deutschland, der ja auch eine sehr aktive Regionalvertretung Südwestfalen unter dem Vorsitz von Wolfgang Krämer hat, hatte die Bergknappen bei einer Veranstaltung des hiesigen ASC gehört und schlug vor, sie doch mitzunehmen zu diesem Ereignis. Die Knappen ließen sich d

as nicht zweimal sagen, organisierten Urlaubstage und schulfrei und reisten mit Pauken und Trompeten und allen Instrumenten nach London, erinnern sich Carsten Daub, Vorsitzender der Bergknappenkapelle, und Jonas Mayenschein (Pressebeauftragter) im SZ-Gespräch.

Natürlich fuhren auch die „Messing-Fahrzeuge“ der hiesigen ASC-Abteilung mit: Neben den Wagen war auch ein alter Bus von 1912 dabei, der als Begleitfahrzeug die Strecke mitfuhr (unterstützt vom ADAC und anderen Sponsoren). Die Fässchen Erzquell an Bord des Busses waren dabei natürlich Ehrensache … – Insgesamt waren 16 Fahrzeuge aus Deutschland am Start.

Den Bergknappen war bewusst, dass die Messlatte für ihren Auftritt hoch lag: Vor einigen Jahren, als Frankreich Gastland der Rallye war und für das Schauprogramm zuständig, hatten die Franzosen Moulin-Rouge-Tänzerinnen aufgeboten … Ob das zu toppen war? Zumal von englischer Seite skeptische Stimmen laut wurden, ob diese „Mining Marching Band from Germany “ Marschmusik wohl richtig spielen könne?!?!

Das offizielle Programm der Bergknappen, die eine nächtliche Busfahrt und einen Touristen-Tag in London hinter sich hatten, begann mit der musikalischen Umrahmung der Auftakt-Veranstaltung im RAC. Zwei Stücke sollten sie spielen, doch als der Präsident des RAC sie gehört und in ihren repräsentativen Trachten gesehen hatte, bedeutete er ihnen, sie sollten doch so lange spielen, wie sie wollten! Spontan stellte Jugendkapellen-Leiterin Jessica Diehl, die in Vertretung von Dirigent Sven M. Holdinghausen mitgereist war, ein einstündiges Programm mit Polkas, Märschen, Popsongs wie „Heal The World“ oder Dixie-Stücken wie „Just A Closer Walk“ zusammen, das begeisterte. Es war ein Programm, das genau auf den entspannten Abend zugeschnitten war. Aber als das „Steigerlied“ erklang, berichtete der hiesige ASC-Chef Wolfgang Krämer im SZ-Gespräch, da hätte man eine Stecknadel fallen hören können!

Auch am nächsten Tag, bei der Präsentation von 100 „Messing“-Fahrzeugen aus aller Welt in Londons vornehmer Regent Street, konnten sich die Bergknappen vor Selfie-Wünschen kaum retten. Dicht gedrängt standen die Zuhörer, bestaunten die alten Fahrzeuge und genossen die Musik und die Musiker mit ihren Schachthüten und roten Federbüschen. Ein Ständchen mussten sie auch spielen: Der Vorsitzende des VCC, des Veteran Car Club, des britischen Pendants zum ASC, hatte Geburtstag. Auf Bitten seiner Frau brachten die Bergknappen ihm ein Ständchen …

Am nächsten Tag machten sich die Wagen auf den Weg nach Brighton. Die Bergknappen spielten an verschiedenen Haltepunkten und nahmen die Fahrer schließlich in Brighton in Empfang … Mit Pauken und Trompeten. Die „Mining Marching Band from Germany“ hat auf der ganzen Linie überzeugt!

Siegener Zeitung vom 11.2.2017

Text: Dr. Gunhild Müller-Zimmermann

Fotos: Bergknappenkapelle Niederschelden